Neue Erkenntnisse zu MPAN: Patientenzellen im Labor geben wichtige Hinweise
Unter der Leitung von Prof. Dr. Lena Burbulla an der LMU München hat ein internationales Team mit Hilfe der Stammzell-Technologie Nervenzellen aus Hautzellen von MPAN-Patientinnen entwickelt, um mehr über die zellulären Prozesse in MPAN-Patienten zu lernen. Eine erste wichtige Erkenntnis dieses Projekts war, dass die neu erzeugten patientenspezifischen Zellmodelle tatsächlich jene Pathologien entwickeln, die auch in den Gehirnen Betroffener bekannt sind und Schäden verursachen. Diese patientenspezifischen Krankheitsmodelle sind also besonders wertvoll, um Abläufe in den Zellen direkt zu untersuchen und somit zumindest teilweise auf Tiermodelle oder Gewebeproben von verstorbenen Patienten verzichten zu können.

Prof. Lena Burbulla
Ludwig-Maximilians-Universität München
München, Deutschland
Ein Zusammenschluss von Patientenorganisationen aus Deutschland, Italien, den Niederlanden und den USA haben diese Studie kofinanziert, die nun in der Fachzeitschrift Movement Disorders veröffentlicht wurde: wissenschaftlicher Artikel
Was wurde entdeckt?
Die nachgebildeten Nervenzellen zeigten mehrere Schäden, die man auch in den Gehirnen von MPAN-Betroffenen findet:
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- α-Synuclein-Ablagerungen: α-Synuclein ist ein Eiweiß, das normalerweise an der Signalübertragung zwischen Nervenzellen beteiligt ist. Unter Krankheitsbedingungen verklumpt es jedoch und bildet schädliche Ablagerungen (sogenannte „Lewy-Körperchen“). Solche Ablagerungen kennt man vor allem von der Parkinson-Krankheit – und nun zeigt sich, dass sie auch bei MPAN eine zentrale Rolle spielen.
- Eisenansammlungen: Wie bei allen NBIA-Erkrankungen sammelt sich Eisen im Gehirn an. Eisen ist zwar lebensnotwendig, in zu hoher Konzentration kann es jedoch Zellen schädigen, indem es aggressive chemische Reaktionen auslöst. In den Laborzellen von MPAN-Patientinnen konnten diese Eisenablagerungen nachgewiesen werden.
- Axon-Schäden: Ein Axon ist der lange Fortsatz einer Nervenzelle, über den Signale weitergeleitet werden. Bei MPAN-Zellen kam es zu auffälligen Axon-Schwellungen und sogar zu Zerstörungen der Zellhülle (Membran). Solche Schäden sind ein frühes Anzeichen für das Absterben von Nervenzellen.
- Neu entdeckte Entzündungsanzeichen: Besonders überraschend war die Beobachtung, dass die MPAN-Zellen vermehrt ein Molekül namens MHC-I (Major Histocompatibility Complex Klasse I) auf ihrer Oberfläche tragen. Dieses Eiweiß spielt im Immunsystem eine wichtige Rolle, kommt aber in gesunden Nervenzellen normalerweise kaum vor. Sein vermehrtes Auftreten spricht dafür, dass entzündliche und neurodegenerative Prozesse an der Schädigung der Nervenzellen beteiligt sein könnten – ein bisher wenig beachteter Aspekt von MPAN.
Erste Ansätze für Behandlung
Die Forschenden testeten die Substanz Acetyl-Leucin. Dabei handelt es sich um eine abgewandelte Aminosäure, die in Studien zu seltenen Stoffwechsel- und Hirnerkrankungen sowie bei Parkinson-Symptomen untersucht wird. Im Labor konnte Acetyl-Leucin die erhöhten MHC-I-Werte in MPAN-Zellen wieder senken. Das deutet darauf hin, dass es die Stressreaktionen in den Zellen abschwächen könnte. Worauf dieser Effekt genau zurückzuführen ist und ob er sich auch im Menschen bestätigen lässt, muss in künftigen klinischen Studien genau untersucht werden.
Bedeutung der Ergebnisse
Diese Studie liefert gleich mehrere wichtige Erkenntnisse:
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- Sie zeigt, dass man MPAN im Labor mit patienteneigenen Zellen realistisch nachbilden kann. Das eröffnet viele neue Forschungsmöglichkeiten, um Krankheitsmechanismen besser zu verstehen.
- Sie bestätigt, dass MPAN nicht nur eine „Eisenspeicherkrankheit“ ist, sondern auch eine α-Synuclein-Erkrankung, ähnlich wie Parkinson.
- Sie stellt neurodegenerative Prozesse in Verbindung mit Entzündungsreaktionen als mögliche Ursache für die Erkrankung dar – ein Aspekt, der bisher kaum berücksichtigt wurde.
- Sie liefert einen ersten Hinweis, dass Acetyl-Leucin ein Ansatzpunkt für Therapien sein könnte.
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Fazit
Die Ergebnisse machen deutlich, dass Nervenzellen bei MPAN auf mehreren Ebenen geschädigt sind – durch Eisenakkumulation, durch Eiweißablagerungen, durch Axonschäden und möglicherweise durch fehlgeleitete Entzündungsreaktionen. Das neue Zellsystem ist ein wichtiger Schritt, um diese Prozesse gezielt zu erforschen. Es könnte in Zukunft helfen, neue Medikamente zu entwickeln, die den Verlauf von MPAN verlangsamen oder die Symptome lindern.
Hintergrund
MPAN („Mitochondrial membrane protein–associated neurodegeneration“) gehört zur Gruppe der NBIA-Erkrankungen („Neurodegeneration with Brain Iron Accumulation“). Charakteristisch sind Eisenablagerungen im Gehirn, ein fortschreitender Abbau von Nervenzellen sowie Bewegungsstörungen, die denen der Parkinson-Krankheit ähneln. Aktuelle Forschungsanstrengungen konzentrieren sich darauf zu verstehen, warum bestimmte Nervenzellen bei MPAN besonders anfällig sind. Prof. Dr. Lena Burbullas Forschungsschwerpunkte sind hier nachzulesen: